Wunderzaichen

Für seine neue Oper "Wunderzaichen", die im März 2014 an der Staatsoper Stuttgart uraufgeführt wird, sucht der Komponist Mark Andre nach Klängen, die neueste Audiotechnologie und zeitgenössische Musikästhetik mit den Geschichten und religiösen Vorstellungen des Neuen Testaments verbinden. Zusammen mit dem Klangregisseur Joachim Haas experimentiert er im legendären Experimentalstudio des SWR mit Resonanzen der Grabeskirche, die von den Impulsen eines Flügels angeregt werden.

Ein Komponist fährt nach Galiläa an den See Genezareth, und nimmt dort die Resonanzen der Räume auf. Im Echo, im Widerhall dieser Räume auf laute Impulsgeräusche, die wie platzende Luftballons klingen, meint dieser Komponist, ist irgendwie auch ein Widerhall aus einer fernen Vergangenheit enthalten – die Gegenwart eines Menschen, der zugleich ein Gott war, d.h. die Gegenwart von etwas Ewigem und Unendlichem.

Eines Menschen, der dort seine Bergpredigt hielt.

Deswegen ist er hierher gereist. Er möchte komponieren, wie es geklungen haben könnte, als Jesus verschwand. Die Musik, die auf diese Weise entstand, hat mich von Anfang an im Innersten berührt, obwohl ich zuerst von all diesen Geschichten noch gar nichts wusste.

Nur mit der Musik von Johann Sebastian Bach war es mir bislang ähnlich ergangen. Es ist eine Musik, die einfache und zugleich die wichtigsten Fragen stellt, die menschlichsten: „Wer bist du? Warum weinst du?“ – Es ist eine leise, unaufdringliche Musik, die augenblicklich die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und zwar von jedem Zuhörer, der Ohren hat: gläubig oder nicht, ob mit zeitgenössischer Musik vertraut oder nicht. Es ist eine Musik, die uns angeht, die essentiell ist.

Nicht umsonst gilt Mark Andre jenseits meines privaten subjektiven Urteils als einer der wichtigsten Komponisten, der heute lebt. Und zwar weil er souverän und virtuos alle Möglichkeiten nutzt, die die Musik des 20ten und 21ten Jahrhunderts angesammelt hat. Aber bei jeder Note weiß man und fühlt man, warum sie geschrieben wurde, so, und nicht anders.

Dass sich eines der besten Opernhäuser weltweit und das Experimentalstudio des SWR zusammentun, um seine Visionen von aufklappenden unendlichen und akustischen Räumen zu realisieren, ist ein Glücksfall der gegenwärtigen Musikgeschichte. Es ist ein Glücksfall, den Prozess der Entstehung dieser Oper rund um den ersten deutschen Humanisten Johannes Reuchlin begleiten zu dürfen – es wäre fatal und ein Ärgernis, diesen Glücksfall ungenutzt verstreichen zu lassen.

Uli Aumüller

Regie: Uli Aumüller
Produktionsleitung: Birgit Baumgärtner, Hanne Kaisik
Kamera: Jean Christophe Blavier, Uli Aumüller
Produktion: Inpetto GbR Filmproduktion Berlin, moving-angel GmbH Stuttgart

unterstützt von:
WDR, SWR, Filmförderung BW, Staatsoper Stuttgart

Fertigstellung Herbst 2014